Sind Koch-Shows zeitgemäß?
Seit Jahren steigt das Interesse an Kochen, Essen und den damit verbundenen Produkten. Dies ist durchaus eine löbliche Entwicklung, da diese auch sensibilisiert. Der Konsument hinterfragt kritisch woher seine Lebensmittel kommen, es ist eine Art Weiterbildung (Hobby) und es fördert ein geselliges Miteinander. Weg vom Glauben Fleisch käme aus Laboren, wie es zB mal jemand auf Facebook sagte (ich zitiere frei):
„Fleischesser sind *piep*, da sie Tiere töten um ihre Lust am Essen zu stillen. Sie mögen bitte doch in die Supermärkte gehen, wo „gezüchtetes Fleisch bereits auf sie warten würde“,
Geld kommt aus dem Bankomaten und Strom aus der Steckdose.
Ein daraus resultierendes Ergebnis ist, die steigende Anzahl von Reportagen über Kochen, Koch-Shows, Kochsendungen, etc auf diversen Fernsehkanälen. Gut, Kochsendungen sind fast schon so alt wie das Fernsehen selbst, ich erinnere hier an den „Häferlgucker“ im ORF (österreichisches Staatsfernsehen) und den legendären Franz Zodl.
Was war der Grundgedanke?
Meines Erachtens sollte die geschätzte Hausfrau animiert werden mehr als Schnitzel, Schweinsbraten und Co am heimischen Herd zu kochen. Man könnte fast sagen, es war die Urzeit des Umdenkens in Sachen einseitiger Ernährung. Es sollte somit eine Abwechslung auf den heimischen Tisch. An letzterem hat sich nichts geändert, ABER… ist dieser Gedanke noch am Puls der Zeit?
Lassen wir hierzu ein paar dieser Kochsendungen Revue passieren.
Frisch gekocht (ORF 2)
Hierbei handelt es sich um eine, von BILLA (jetzt zu REWE gehörend), gesponserte Sendung. Dies nur als kleiner Seitenblick.
Anno dazumal war es eine unterhaltsame Kochsendung, die sich zu einem Publikumsmagneten entwickelte. Nicht zuletzt durch die Köche Andi und Alex, deren österreichischer „Schmäh“ gut bei den Leuten ankam. Natürlich gibt es genügend Leute, die die Beiden nicht mögen, aber so ist das nun mal.
Jedenfalls glänzte die Sendung mit alltags-tauglichen Gerichten, die man gut zuhause nachkochen konnte. Doch seit der Umstrukturierung ist dem nicht mehr so! Da werden DIPs zubereitet deren Zutatenliste oft mehr kostet als ein Menü für eine vierköpfige Familie. Fleisch und Fisch wird verwendet für den man heftigst, als Normalbürger, sparen müsste und so an anderen Tagen dafür gerade mal ein frisch aufgebrühter Suppenwürfel auf den Tisch kommt.
Es stellt sich eindeutig die Frage an die Macher: Denkt Ihr unsereins hat einen „Bricklebrit“ zuhause?
Die Küchenschlacht (ZDF)
Vom Konzept her eine gute Sache. Hobby-Köche (Hausfrauen/-männer wie Du und ich) zeigen unter Wettkampfbedingungen was sie drauf haben oder eben nicht. Toll, wenn da nicht schon wieder diese Zutaten wären!
Getrüffeltes Nilpferd an Ozelot-Nasen mit güldenem Reis (ich bitte um Verständnis! Ich hatte gerade einen Sarkasmus)
Leute, jetzt mal ehrlich: „Kocht Ihr zuhause immer nur Fleich dessen Preis pro Kilogramm jenseits der 40 – 50€ Marke liegt? Kauft Ihr immer nur zu Dekozwecken Früchte und Kräuter ein, wo eine kleine Familie pro Tag satt werden kann / muss?
Das perfekte Dinner (VOX)
Diese Show hat vor kurzem ihr 10jähriges Jubiläum gefeiert. Sie befriedigt nicht nur die Kochfreaks unter uns, sondern gewährt auch den reizvollen Blick in die Räumlichkeiten der Wettstreiter. Was hat der in seiner Bude stehen was ich nicht habe. Unweigerlich fühle ich mich eine wenig an Tine Wittler erinnert. Aber sei es drum. Das Konzept stimmt. Möge der Bessere gewinnen!
Und hier ist es wieder: Gewinnen um JEDEN Preis! Was da an Lebensmittel eingekauft, vor allem verschlägt es einem die Sprache bei den Preisen, und anschließend in den (hoffentlich) Biomüll geworfen wird. Unbeschreiblich!
Highlights wie Kitchen Impossible (VOX), Grill den Henssler (VOX), The Taste (SAT1), Chef Rubio (DMAX) und Co braucht man in diesem Zusammenhang nicht beleuchten, da dies eine Challenge für Köche auf Sterne-Niveau ist, wo es aber Spaß macht zuzusehen und etwaig ein wenig an Hintergrundinfos zu gewinnen oder das ein oder andere zu lernen.
Rosins Restaurants (Kabel 1), die Kochprofis (RTL 2), Beef (DMAX) etc ist dann wieder eine ganz andere Kategorie. Ich persönlich schau mir das gerne an, nenne es aber ach „liebevoll“ Das Berlin Tag & Nacht des Fans der Kulinarik
Bildungsfernsehen á la Abenteuer Leben (Kabel 1), taff (Pro7), etc zu diesem Thema gibt es dann nebenher zum Darüberstreuen.
Es gab da auch mal einen Sender Namens tv.gusto, den man über Satellit empfangen konnte.
Wie man sieht ein riesen Thema. Nun aber zurück zu meiner Frage: Machen die eigentlich Kochsendungen noch Sinn?
Für mich kann ich dies so beantworten: Nein! Ich bin der festen Überzeugung, dass es nur einen verschwindend geringen Anteil in der Bevölkerung gibt, die sich diese Art zu kochen leisten kann. Und die, die es sich leisten könn(t)en, gehen dann wohl lieber ins Restaurant und lassen sich bekochen. Es gibt natürlich Stimmen, die sagen:
„Aber ich kann mir zumindest Inspiration holen“,
denen ich durchaus auch Recht gäbe, ABER… wozu sehe ich mir dann eine Sendung 30 Minuten+ an? Um danach meine eigenen Experimente zu machen? Sollte es nicht Sinn und Zweck, dieser Sendungen, sein uns neue kulinarische Genüsse zu vermitteln, anstatt statt Koriander wieder Petersilie zu nehmen, statt Limone/Limette wieder zur Zitrone zu greifen, usw?
Ich vermisse die Tage eines Tim Mälzer (schmeckt nicht gibt’s nicht), eines Jamie Oliver (bevor er zum Guru befördert wurde), eines Ralf Zacherl (Zacherl: Einfach kochen!) und sonstigen Küchenchefs, die uns die einfache, schmackhafte Küche beibringen wollten.
Würde mir ehrlich wünschen, dass es zumindest eine Kochsendung gibt, die dem kochafinen Normalbürger Gerichte mit Zutaten vermittelt, die ich in jedem x-beliebigen Geschäft kaufen kann und nicht dafür stundenlang fahren oder horrende Preise bezahlen muss.
Wie siehst DU das? Ich würde mich freuen, wenn wir hier eine Art gewinnbringenden Gedankenaustausch starten könnten. Vielleicht liest dies ja auch ein Verantwortlicher beim Fernsehen!?
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VERÖFFENTLICHT
03/2016 -
ZUGRIFFE
Als jemand, der sich bereits als Kind den unvergessenen Ernst Faseth oder Helmuth Misak auf einem der beiden einzigen damals empfangbaren Fernsehsender angesehen hat, sage ich: Ja, sie sind relevant – jedenfalls für mich.
Nicht unbedingt als ständige Aufforderung zum Nachmachen, aber jedenfalls jederzeit als wunderbare Unterhaltung und Lieferant von reichlich Anregungen. Mangold läßt sich auch problemlos durch Spinat ersetzen…
Sendungen mit präpotenten und oftmals heillos überschätzten „Größen“ wie insbesondere Alfons Schuhbeck (der schlimmste von allen), Tim Mälzer und Frank Öhler oder Fistelstimmen wie Ralf Zacherl aus der Geschirrspülmittelwerbung muß man ja nicht aufdrehen.
Die „Kochprofis“ und „Rosins Restauarants“ verblüffen primär durch unpackbar dumme und ahnungsferne Möchtegernunternehmer und Maurer im Küchengewand, bei denen fassungsloses Kopfschütteln garantiert ist – wie gerade jetzt nebenher auf Kabel 1 🙂
Für eines der mit Abstand besten Formate halte ich „Mein Lokal, Dein Lokal“, bei denen die schlimmsten Kritiker unter den Gastro-Kollegen regelmäßig ihr Fett abkriegen [schadenfreudemodusan]und das auch für ganz ungewöhnliche Lokalkonzepte begeistert, die man sonst sicher nie kennengelernt hätte.
Das absolute Highlight der Szene ist für mich „The Taste“, das einen ziemlich realen Einblick in die Streß- und Erfahrungswelt von Köchen oberhalb der Schweinsbratenliga liefert. Der Voyerfaktor ist durch die Ausscheidungskriterien hier manchmal allerdings etwas hoch, etwa wie bei „Big Brother für Kulinariker“ 🙂
Und sollte man mitten in der Nacht einmal vor dem Fernseher aufwachen, darf’s auch mal „Silent Cooking“ sein, da quatscht wenigstens niemand dazwischen und man kann in Ruhe mitschreiben. Die dort kochenden Gestalten sind aber oft reichlich unansehnlich.